Trotz parodontologischer Unterversorgung der Bevölkerung schließt die Bernhard Gottlieb Universitätszahnklinik in Wien die „Division Parodontologie“.
Stellungnahme des Vorstandes der Österreichischen Gesellschaft für Parodontologie.
Mit großer Besorgnis, aber auch Verwunderung nimmt der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Parodontologie zur Kenntnis, dass die im Jahre 2000 gegründete Abteilung für Parodontologie (zuletzt „Division für Parodontologie“) mit 1. Februar aufgeteilt und demgemäß aufgelöst wurde: der konservative Bereich der Parodontologie soll künftig der Zahnerhaltung, der chirurgische Bereich der Oralen Chirurgie zugeordnet werden.
Wie die Geschäftsführung, der ärztliche Leiter (Prof. Moritz) und der Leiter der Organisationseinheit (Prof. Watzek) ausführen, wurde diese Maßnahme getroffen, um die Effizienz der parodontologischen Behandlungen und der Lehre an der Klinik zu steigern. An der Ausbildung der Studierenden ändere sich nichts. Mit dieser Organisationsanpassung folge man internationalen Trends, wie es einer Mitteilung der Geschäftsführung zu entnehmen ist.
Verbesserungen sind prinzipiell immer wünschenswert und Strukturanpassungen manchmal nicht vermeidbar. Die ÖGP sieht diese Form der Veränderung jedoch mit großem Zweifel, setzen wir uns doch seit Jahren für eine Spezialisierung des Faches Parodontologie ein. Diese wird von der European Federation of Periodontology, dem Dachverband aller europäischen parodontalen Gesellschaften massiv forciert und in akkreditierten postgradualen Spezialausbildungen, in zahlreichen anerkannten europäischen Universitäten umgesetzt! Im Gegenteil zu der angeführten Meinung zeigen internationale Trends, dass immerhin in mittlerweile 11 EU-Mitgliedsstaaten das Berufsbild Parodontologe/in anerkannt ist und sogar in der Türkei jüngst der Fachzahnarzt für Parodontologie eingeführt wurde! Daher unterstützen wir auch den von der MedUniWien veranstalteten Hochschullehrgang Parodontologie, da wir die Notwendigkeit eines solchen und in den meisten europäischen Ländern auch Üblichen, für Österreich für eine zeitgerechte parodontale Behandlung der Bevölkerung als unabdingbar sehen.
Die Einrichtung einer Abteilung für Parodontologie war ein Alleinstellungsmerkmal der Bernhard Gottlieb Universitätszahnklinik in Wien (BGZMK – auch der Name ehrt einen der verdienten Väter der Parodontologie!). An keinem anderen österreichischen Universitätsausbildungsort, weder in Graz noch in Innsbruck, konnte eine derartige Expertise an im Ausland ausgebildeten Parodontologen aufgeboten werden, was in mehrjähriger Arbeit in einem für alle Studenten richtunggebendem Ausbildungs- und Behandlungskonzept gipfelte. Diese notwendige und erfolgreiche Entwicklung soll nun zerschlagen werden?
Die Bedeutung parodontaler Ausbildung und deren Umsetzung in der täglichen Praxis werden global durch umfassende interdisziplinäre Forschung untermauert. Es gibt zunehmend wissenschaftliche Hinweise auf systemische Zusammenhänge zwischen Gesundheit des Parodonts respektive parodontaler Erkrankungen und der Allgemeingesundheit. Darüber hinaus besteht aus epidemiologischer Sicht nach wie vor eine krasse parodontologische Unterversorgung der Bevölkerung, wie der letzte Gesundheitsberichts des ÖBIG von 2010 zeigte, was durch das zunehmende Alter der Menschen zusätzlich verstärkt wird.
Wir befürchten, dass es in Hinkunft wenig Anreiz für Universitätsassistenten geben wird, sich in diesem Fach, das nun auf zwei Bereiche aufgeteilt wurde, umfassend wissenschaftlich und praktisch ausbilden zu lassen. Wir befürchten, dass auch die Qualität der parodontalen Lehre und Ausbildung durch das Fehlen eigenständiger Strukturen leiden wird und sich das in der zahnärztlich parodontalen Versorgung niederschlagen kann. Leider bleibt uns nur die Möglichkeit sorgenvoll darauf hinzuweisen und die weitere Entwicklung zu verfolgen.
Im Besonderen bedauern wir es sehr, dass just im Jahre der Europerio 7, des bedeutendsten und größten Kongresses für Parodontologie global, wo wir einige Tausend ParodontologInnen aus aller Welt in Wien begrüßen werden dürfen, das Gastgeberland diese „Visitenkarte“ überreichen muss!
Der gesamte Vorstand der ÖGP, im Februar 2012