SARS-CoV-2 kann über den Mund- und Nasenweg in den Respirationstrakt gelangen. Ein britisches Forschungsteam um Iain Chapple (Universität Birmingham, EFP) stellte eine weitere Hypothese auf, wie das Virus in die Lunge gelangt. Dabei erscheint ihm der Weg über das Parodontium plausibel und die Mundhygiene als nicht zu unterschätzenden Faktor.
Seit Beginn der Coronapandemie steht die Welt vor einer großen Herausforderung im Gesundheitswesen. Nach wie vor kennen wir die Gründe für die klinische Variabilität der COVID-19 Erkrankung nicht zur Gänze und es gibt kaum Biomarker zur Identifikation von Personen, die ein Risiko für eine schwere Lungenerkrankung haben.
Der eben erschienene Artikel stellt eine Hypothese über einen vaskulären Weg der Übertragung von SARS-CoV-2 aus der Mundhöhle in die Lunge vor: Der Speichel ist ein Reservoir für SARS-CoV-2, sodass jede Störung der Immunabwehr in der Mundhöhle den Eintritt des Virus in das Gefäßsystem durch den Zahnfleischsulkus oder die parodontale Tasche fördert. Von dort würde das Virus durch die Venen des Halses und des Brustkorbs das Herz erreichen und von dort in die kleinen Gefäße in der Lungenperipherie gepumpt werden. Die Bindung des Virus an den Angiotensin-Converting-Enzyme-2-Rezeptor (ACE2) auf der endothelialen Oberfläche der Lungengefäße inaktiviert ACE2 und erhöht die Angiotensin-II-Spiegel, was zu einer pulmonalen Vasokonstriktion und Immunthrombose (entzündungsvermittelte Gerinnung) führt. Dies führt zu Gefäßverstopfung, proximaler Vasodilatation und anschließender Schädigung des Lungenparenchyms durch endotheliale Dysfunktion. Die biologische Begründung für den oral-vasculo-pulmonalen Infektionsweg wird in diesem Artikel ausführlich diskutiert, einschließlich einschlägiger radiologischer und zahnmedizinischer Erkenntnisse. Die Akkumulation von Plaque und parodontalen Entzündungen könnten diesen Weg verstärken.
Die Autoren schlagen vor, der täglichen Mundhygiene und orale Gesundheitsfürsorge Vorrang zu geben, da solche Maßnahmen für COVID-19-Patienten potenziell lebensrettend sein könnten. Wenn dieser vorgeschlagene pathologische Weg verifiziert wird, wäre dies von enormer Bedeutung für das Verständnis des Krankheitsmanagements. Einfache, kostengünstige Maßnahmen, wie z. B. die Verwendung spezieller Mundspülungen, könnten die Viruslast im Speichel verringern und helfen, die Entwicklung einer schweren Lungenerkrankung zu verhindern oder abzuschwächen.
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