Warum gibt es jetzt Leitlinien zur Parotherapie?
Ziel der EFP und ihrer Mitgliedergesellschaften ist es, die Gesamtqualität der Parodontaltherapie in Europa zu verbessern, die Zahl der durch Parodontitis verlorenen Zähne zu verringern und nicht zuletzt die Allgemeingesundheit und Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Das neue Klassifikationssystem für Parodontalerkrankungen aus dem Jahr 2017 charakterisiert Parodontitis auf Grundlage des Ausmaßes, des Schweregrads und der bisherigen Krankheitserfahrungen. Zudem gibt es eine Komponente zur Behandlungskomplexität. Die Berücksichtigung etablierter Risikofaktoren (Rauchen, Diabetes) hilft, das Risiko für künftigen Attachmentverlust abzuschätzen. Dieses Klassifizierungssystem spiegelt die komplexe, multifaktorielle Natur der Parodontitis wider.
Die EFP hat 2020 eine klinische S3-Behandlungsleitlinie für Parodontitis der Stadien I bis III entwickelt, die auf einem standardisierten Verfahren basiert, das die systematische Überprüfung der aktuellen Erkenntnisse durch eine repräsentative internationale Gruppe von Experten umfasste. Die S3-Leitlinie zur Behandlung von Stadium IV ist derzeit in Vorbereitung (Stand April 2022). Die von der EFP erarbeiteten Leitlinien wurden in 16 Sprachen übersetzt.
Für wen ist die S3 Leitlinie zur Parotherapie gedacht?
Sie richtet sich an Zahnärzt*innen und Fachärzt*innen für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Dentalhygieniker*innen, in akademische Einrichtungen, Krankenhäuser, Kliniken und Praxen. Weiters richtet sie sich an Personen mit Bezug zur Gesundheitsversorgung, sowie Patient*innen. Außerdem dient sie zur Information für Ärzt*innen aller anderen Fachrichtungen.
Ziel ist es, die Zahnärzt*innen in der Praxis durch die komplexe Fülle von Behandlungsoptionen zu leiten und ihnen eine pragmatische Entscheidungsfindung in voller Kenntnis der Evidenzbasis zu erleichtern. Einige europäische und südamerikanische Länder haben die Leitlinie bereits übernommen oder adaptiert. In Deutschland gilt seit 1.7.2021 als Voraussetzung für die Bezahlung durch die Krankenkasse bei jedem Behandlungsschritt die Beachtung der Leitlinien. Diese wurde dafür sogar in eine Richtlinie umgewandelt: der Dokumentationsaufwand ist beträchtlich, aber die Bezahlung wurde auch ganz deutlich angehoben.
Als ÖGP sind wir bemüht, auch in Österreich die Vorteile evidenzbasierter Parotherapie darzustellen. Diese erfolgt schrittweise, wobei die Parameter und die zu erwartenden Ergebnisse bekannt sind und überprüft (evaluiert) werden sollen. Erst danach werden weitere Schritte eingeleitet und wieder reevaluiert.
Das Ziel der Parotherapie ist Taschenfreiheit – nicht Taschenverwaltung! Es soll langfristig keine Stelle mit ?4mm und BoP geben. Bei Stellen mit >6mm ist neben der Re-Instrumentierung auch ein operatives Vorgehen anzudenken, falls Patient/Zahn/Stelle dafür passend erscheinen. Und: definitionsgemäß bleibt Parodontitis IMMER Parodontitis, auch wenn keine aktiven Taschen mehr vorliegen. Der unterstützenden Langzeittherapie gebührt daher große Aufmerksamkeit.
* Genauere Empfehlungen zur Behandlung der Gingivitis bei Patienten ohne Parodontitis finden Sie in den S3-Leitlinien » hier zum Download